NOVA Blog: 03. Februar 2020
Hi. Ich bin Pia.
Kategorie: Cases, Usability, UX Grundlagen
Hi! Ich bin Pia und seit Januar 2020 neu bei SKOPOS NOVA. Ich mag UX, und ich mag Autos. Das lässt sich durchaus kombinieren. Beruflich bin ich schon länger in der Automotive UX-Welt unterwegs. Vor SKOPOS NOVA habe ich als Usability & UX Researcher im Automotive-Bereich für die Allround Team GmbH in Köln gearbeitet. Nun geht es für mich weiter und daher stelle ich mich mal eben vor. Hi! Ich komme aus Köln und würde sagen, ich bin durch und durch Kölnerin. Dass ich in Bergisch-Gladbach geboren bin, darf man natürlich keinem erzählen, aber interessiert ja auch niemanden. In meiner Freizeit spiele ich gerne Tennis und ich liebe es zu tanzen. Das mache ich schon mein ganzes Leben lang. Nach dem Abitur war relativ schnell klar, dass ich Psychologie studieren will, um die Mensch-Maschine-Schnittstelle so ideal wie nur möglich mitgestalten zu können. Das war wirklich schon damals mein Plan. Ich freu mich also riesig meinen Plan als Teammitglied von SKOPOS NOVA weiter verfolgen zu können und bin wirklich gespannt auf alles, was da noch so kommt.
Ich beginne einfach mal mit ein paar persönlichen Erfahrungen aus der Automotive UX-Welt und freue mich auf den Austausch!
Ganz grundsätzlich: Worauf man bei Automotive UX Tests achten muss?
Automotive UX Tests sind UX Tests im Automobilbereich. Klar. Oder?
Einen Website-Prototyp hinsichtlich Usability und UX zu evaluieren ist ziemlich unkompliziert und zum Beispiel durch Remote-Tests herauszufinden. Die Testperson sitzt also in der eigenen Wohnung am eigenen Laptop benutzt den Browser, den er immer nutzt und spricht mit dem Interviewer über Stolpersteine bei der Nutzung, die (un-)verständlichen Inhalte und die Wirkung der Seite.
Im Auto sieht das etwas anders aus. Klar werden auch hier die gängigen UX-Tools verwendet, aber welche Aussagekraft hat ein Usability-Test des Infotainmentsystems im Stand? Sicher hat auch dieser Test in einem iterativen Designprozess seine Berechtigung und ist wichtig für die kontinuierliche Mensch-zentrierte Entwicklung des Produktes, aber gerade im Automotive-Bereich müssen die Ergebnisse eines solchen Tests in den richtigen Kontext gesetzt werden.
Warum sich das Auto bewegen muss.
Stellen wir uns also vor das Infotainment-System wird im Stand getestet. Das System kann über den Touchscreen in der Mittelkonsole bedient werden. Die Ergebnisse versprechen viel: Durchschnittlich kurze Time on Task, Success Rates über 90% und ein qualitativ positiver Eindruck aller Testnutzer vom System. Bei derselben Testung während der Fahrt wird klar, dass die Ergebnisse der ersten Testung nicht auf den alltäglichen Kontext eines fahrenden Autos generalisiert werden können. Plötzlich erhöhen sich die durchschnittlichen Time on Tasks signifikant, die Success Rates sinken ebenso signifikant und der zunächst positive Gesamteindruck der Testnutzer verfliegt: „Während der Fahrt will ich das nicht bedienen, ich guck ja nur auf das Ding!“ „Das ist doch total ablenkend.“ „Die Funktionen sind alle zu versteckt, ich muss fünf Mal drücken, um den Menüpunkt zu finden, das geht so nicht!“
Das Beispiel macht deutlich, dass Tests, die eventuell aus Kosten- oder Machbarkeitsgründen im Stand durchgeführt wurden, unbedingt auch als Tests im Stand interpretiert werden sollten und nicht generalisiert betrachtet werden können. Je vollständiger UX im Auto erfasst werden soll, desto eher werden Testungen in einem Fahrsimulator oder Testungen in einem fahrenden Auto notwendig.
Achtung, Aufpassen!
Diese Beispiele verdeutlichen allerdings auch, dass die Themen Ablenkung und Sicherheit wichtig für die Beurteilung von Automotive Systemen sind. Denn beim Autofahren wird eben nicht primär das Infotainmentsystem genutzt. Höchste Priorität hat die sichere und gefahrenlose Bedienung des Autos. Daher ist es sinnvoll, auch den kognitiven Workload zu erfassen und zum Beispiel den DALI (the driving activity workload index) oder den NASA TLX (NASA Task Load Index) zu verwenden. Diese validierten Skalen machen neben den üblichen Usability- und UX-Dimensionen auch eine Beurteilung der kognitiven Beanspruchung möglich und liefern so eine zusätzliche Dimension mithilfe dessen Automotive Systeme bewertet werden können.
Auch von der anderen Seite müssen Ablenkung und Sicherheit beleuchtet werden: Neue Systeme direkt im Straßenverkehr zu testen, ist fahrlässig. Oft empfiehlt es sich, zunächst Systeme in einem Fahrsimulator zu testen. So kann beispielsweise ein neues Infotainmentsystem neben der Primäraufgabe Fahren getestet und beurteilt werden, während keinerlei Sicherheitsrisiko besteht. In den letzten Jahren hat sich zur simulierten Realität auch die virtuelle Realität (VR) bei bestimmten Testszenarien im Automotive Bereich als sinnvoll erwiesen.
Eine weitere Möglichkeit, Gefahren bei der Testung zu reduzieren, ist die Durchführung auf einer Teststrecke. Unter Ausschluss des öffentlichen Verkehrs können hier Systeme bei einer realen Fahrt erlebt werden.
Wissen vorausgesetzt.
Besonders anspruchsvoll wird der UX Test dann, wenn es um Fahrerassistenz geht. Hier sollte gerade der Interviewer viele Kenntnisse über die unterschiedlichen Fahrerassistenzsysteme, ihre Funktionalitäten, sowie Markenspezifische Wording-Besonderheiten mitbringen. Nur dann kann das Nutzerverhalten, die Kommentare und somit das mentale Modell des Nutzers korrekt gedeutet werden, um daraufhin zu beurteilen, ob das Interface kongruent zum mentalen Modell des Nutzers ist.
UX is all around me.
Ein Teil der Interaktion mit Automotive Systemen und vor allem Fahrerassistenzsystemen besteht auch in der wahrgenommenen Performance oder anders gesagt, dem Fahrerlebnis. Das Erlebnis wird also beispielsweise auch durch Beschleunigungs- Bremsverhalten und dem Drehmoment beim Lenken geprägt. Und wenn ein Fahrerassistenzsystem automatisch beschleunigt, bremst und lenkt ist das besonders einflussreich auf das Erlebnis. Zusätzlich spielt es im Erlebnis natürlich auch eine große Rolle, ob sich die Fahrerassistenzsysteme erwartungskonform und zuverlässig verhalten. Nur dann kann Vertrauen aufgebaut werden. Bremst das Auto auch, wenn es kein Hindernis gibt? Wechselt es die Spur, nur dann, wenn die benachbarte Spur frei ist? Erkennt das Auto die Spurlinien und Verkehrsschilder korrekt? Dadurch, dass die Performance-Fehler von Fahrerassistenzsystemen oft mit einem Gefahrengefühl einhergehen, ist eine subjektive Performancebeurteilung neben Usability-Kennwerten unbedingt notwendig, um Aussagen über die UX eines Fahrerassistenzsystems zu treffen.
Unabhängig von Fahrerassistenz spielt das Fahrerlebnis natürlich eine große Rolle, wenn es um UX im Auto geht. Aber auch ein gut gestaltetes Interieur kann mit hochauflösenden Displays, einem Head-Up-Display, AR-Navigation oder auch dem Panoramadach ein wirkliches Erlebnis auslösen. Da kann es schon mal vorkommen, dass ein Automotive Konzept hinsichtlich objektiver Usability-Kennzahlen wie Time on Task oder Success Rate besser abschneidet als ein anderes, aber dennoch kein positives Erlebnis beim Nutzer auslöst. Oder andersrum: Ein Automotive Konzept erzielt im Test schlechte objektive Usability-Kennzahlen, führt aber zu einem positiven Erlebnis für den Nutzer – ganz nach dem Motto „What is beautiful is usable“ (Tractinsky et al., 2000). Die Erkenntnis, dass ästhetisch bewertete Produkte auch als besser bedienbar wahrgenommen werden, lässt sich natürlich auch auf Webseiten übertragen. Doch das Interieur eines Autos ist umfassender, da das Design den Nutzer vollständig umgibt. Das ist eine nicht zu verachtende Tatsache und muss bei UX-Tests im Auto bewusst berücksichtigt werden.
Wie verändert sich das Automotive Interface in der Zukunft, wenn es gar nicht mehr dazu beiträgt ein Auto zu fahren, sondern wenn es in einem autonomen Auto sogar der Ablenkung und der Beschäftigung mit nicht-fahrrelevanten Aufgaben dienen soll? Es bleibt spannend.
Und weil die Realität ja oft komplexer ist als dieser Blogbeitrag, freue ich mich auf den Austausch!
Tractinsky, N., Katz, A. S., & Ikar, D. (2000). What is beautiful is usable. Interacting with computers, 13(2), 127-145.
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Spezialgebiet: Automotive UX & Psychologie
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