Am Donnerstag, den 02.11. hat der UX Congress in Frankfurt stattgefunden, eine knapp 200 Personen starke Veranstaltung direkt am Main.
Eine von den ca. 200 Menschen, die hier sind bin ich, Juliana, Projektmanagerin bei SKOPOS NOVA. Die ca. 199 anderen sind in unterschiedlichsten Branchen und Unternehmensarten zu verorten – vom Finanzriesen über 2-Frau-Dienstleister sowie Agenturen aus der Medien-, Kreativ-, Kommunikations-, Design-, Strategie- oder Research-Branche bis hin zu den Hochschulen. Mein Eindruck ist, dass hier ein bunter Mix aus erfahrenen Hasen und frischen Querdenkern Platz findet. Während der eine vor 25 Jahren das erste deutschsprachige Buch über Usability schrieb, haben andere den Masterabschluss in der Tasche und lassen sich inspirieren. Da die UX Branche immer noch wächst, wirkt sie wie eine kleine, feine, eng zusammenhaltende Community mit Luft für Neuankömmlinge – und obwohl ca. 2/3 zum ersten Mal beim UX Congress dabei sind, duzt man sich auf Anhieb. Ich sehe wenige Lackschuhe und nur zwei Anzugträger, die ihr Outfit jedoch mit Sneakern kombinieren. Angenehm.
„Fail often in order to succeed sooner“
Obwohl dieser Satz vorerst nicht so angenehm klingt, ist die Keynote ein inspirierender Start in den Tag. Der Speaker spricht von den in Frankfurt regelmäßig stattfindenden „Fuckup Nights“ – ein Format, bei dem Menschen live vor über 1000 anderen vom Scheitern erzählen. Menschen, die was versucht haben. Und die nun schlauer sind.
Die Fehlerkultur ist ein mir persönlich irgendwie sympathisches, aber nicht genug „gelebtes“ Thema. Gerade in Deutschland machen wir doch eigentlich keine Fehler. Und wenn doch, dann sprechen wir nicht darüber. Und wenn wir einen kleinen Fehler entdecken, sprechen wir Deutschen großzügig von Optimierungspotenzial. Auf einen Fehler im großen Stil folgt meiner Meinung nach nicht häufig genug die Reaktion „Optimal, jetzt kann er/sie daraus lernen“, sondern leider meist „Verdammt, wir müssen den Schuldigen zeitnah ersetzen“. Mies.
„Karussells gehören auf den Jahrmarkt, nicht auf Websites“
Der Tag verspricht interessant zu werden und hat einige Lacher parat. In dem Karussell-Zitat werden die bis vor wenigen Jahren noch hochaktuellen, automatischen Slider kritisiert, die heutzutage nur noch vereinzelt auf Websites aufzufinden sind. Meist dienen sie dem (firmenpolitischen) Kompromiss, jedem internen Bereich die Chance zu geben, auf der Website präsent zu sein. Das Resultat: Selten geklickt, selten gemocht, daher mittlerweile selten genutzt. Ein Trend, der offensichtlich vorüber ist.
Viele Speaker stellen sich und uns also die Frage: Was wollen unsere User denn?
Und noch wichtiger: Was werden sie in Zukunft implizit wollen?
Dass die Kundenerwartungen gegenüber der Technik extrem gestiegen sind, ist unübersehbar. Für Viele lautet die Implikation vermehrte Personalisierung, denn die Wahrnehmung von Produkten und Dienstleistungen als Service ist bei den Kunden ausgeprägter denn je! Dabei sind Sprachsteuerung im Wohnzimmer und App-Nutzung fürs Öffnen von Autotüren nur der Anfang. Die Bedienoberfläche wird sich verändern. Und die Vermutung liegt nahe, dass unser Job, d.h. der der UX Researcher, Service Designer, UX Designer, etc. sich in Zukunft weniger um das Aussehen von Interfaces wie Produkten, Websites oder Apps dreht. Sondern um die neuartige Gestaltung von bisher nicht vorhandenen Systemen! Automatisch auslösende Sensoren und Sprachsteuerung (oder sogar Gedankensteuerung? Oh je.) könnten die haptischen Kontakte gänzlich ablösen, die wir gerade noch mit dem Finger auf dem Smartphone ausführen.
„Forscher haben herausgefunden…. und sind dann wieder reingegangen.“
Eine der Quintessenzen des Tages für mich ist, dass wir nicht verbissen den aktuellen Stand auf Teufel komm raus optimieren sollten. Sondern wir sollten das tun, was User Experience im ursprünglichen Sinne verlangt: Den User wirklich in den Vordergrund stellen und ihm eine durchweg positive (Nutzungs-)Erfahrung bieten. Auch wir als Stützen und Verfechter der User Experience – so vernetzt der Bereich auch ist und sich rühmt, unterschiedliche Disziplinen und Ansätze zu vereinen – müssen aufpassen, nicht im „Silo“, d.h. in der UX-Filter-Bubble, zu landen. In Zukunft wird es sowohl für uns als auch für unsere Kunden essentiell sein, Weitblick zu haben und zu trainieren. Wie wird sich die Technik verändern? Was sind Interaktionskonzepte der Zukunft? Was wird der Mensch brauchen und wollen? Wie können wir ihn dabei unterstützen?
„Doing the right thing, not doing it right“
Mein Fazit: Schaut nach vorne, setzt im Zweifel für den Zukunftsblick auch mal die VR-Brille auf, dreht eine Runde im Karussell und steigt dann mit frischen Ideen wieder vom Feuerwehrauto ab. Spätestens dann wird beispielsweise bewusst, dass die Diskette als Speicher-Icon mehr als fragwürdig ist. Denn kein Mensch, der jünger als 20 Jahre ist, hat dieses Produkt je in den Händen gehalten ;).
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Spezialgebiet: Forschung, Product Usability, Service Design Thinking
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