NOVA Blog: 12. Dezember 2019
Design Sprints: Ein bisschen Aufklärung muss her.
Kategorie: Gedanken & Gespräche, Methoden & Tools
„Design Sprints“ sind, wenn man die relevanten Medien liest und in den entsprechenden Gesprächen eintaucht, das neue „agile“, „lean“ oder „UX“. Es ist immer schade, wenn man nicht mehr ganz genau erkennen kann, was sich eigentlich dahinter verbirgt, weil Post Its klebende Menschenmassen so viel mit diesen Begriffen jonglieren, dass einem ganz schwindelig werden kann.
Ich persönlich habe da das Glück, dass wir Vitalij bei uns im Team haben. Er ist hochinteressiert an diesem Thema, hat sich bei AJ&Smart fortbilden lassen und befindet sich derzeit im „Train the Trainer“ Seminar von AJ&Smart. Kurzum, er hat Ahnung. Daher überlasse ich es ihm, ein wenig Licht in die Sache zu bringen.
Ein Gespräch mit Vitalij Malahov – der Service Design Koryphäe bei SKOPOS NOVA.
Hey Vitalij. Danke, dass Du Dir trotz Weihnachtsstress kurz Zeit nimmst. Kannst Du mal eben eine salonfähige
Definition von Design Sprints liefern? Was genau verbirgt sich dahinter?
Vitalij: Hey Till. Danke, dass du mir diese wirklich spannende Frage stellst. Kurz gesagt: Ein Design Sprint ist ein sehr effektiver und schneller Weg, mit dem Unternehmen ein Problem definieren, Lösungen entwickeln, einen Prototypen bauen und diesen mit Nutzern aus der Zielgruppe testen. Und das in nur 4 aufeinanderfolgenden Tagen.
Woher kommt der Hype? Was genau ist denn so besonders daran? Und vor allem: Warum jetzt?
Vitalij: Die offensichtliche Besonderheit kommt eigentlich in meinem letzten Punkt ganz gut durch. Innerhalb von nur 4 Tagen das zu schaffen, wofür man sonst aufgrund von Meetings über Meetings und unzähligen Diskussionen Monate braucht, spricht eigentlich schon für sich. Der Prozess ist so gestaltet, dass ebendiese Diskussionen vermieden und Entscheidungen schnell und zielführend getroffen werden.
Eine andere Besonderheit dabei ist in meinen Augen jedoch viel bedeutsamer. In unzähligen Blogbeiträgen, Podcasts und Pitches wird häufig über den Prozess, die einzelnen Tage und tolle Produkte gesprochen, die aus Design Sprints entstanden sind. Was aber seltener erwähnt wird, ist dass der Design Sprint dafür sorgt, dass das gesamte Projektteam etwas wird, das es schon lange nicht mehr war: sich von Anfang an einig, wohin die Reise geht. Wenn im üblichen Projekt-Alltag jeder seine eigenen Vorstellungen und Erwartungen hat, laufen alle in verschiedene Richtungen. Der Sprint bringt diese losen Fäden zusammen, damit alle an einem Strang ziehen.
Ach ja, es ging ja eigentlich um den Hype in deiner Frage. Der Hype ist meiner Meinung nach total nachvollziehbar. Was immer im Silicon Valley gehyped wird, braucht erfahrungsgemäß eine ganze Weile, um auch bei uns anzukommen. Aber: Früher oder später, kommt es dann doch bei uns an. Und diese Zeit ist jetzt da.
An welcher Stelle im Projekt sollte ein Unternehmen darüber nachdenken, ob sich ein Design Sprint lohnt oder nicht?
Vitalij: Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Letztlich hängt es davon ab, wie groß oder schwierig das zu lösende Problem ist. Der weise Mann, der weiß dass er nichts weiß, sagt dann: It depends. Wer mit einem Design Sprint herausfinden will, ob ein Button lieber blau oder grün sein sollte, schießt mit Kanonen auf Spatzen. Andererseits wird ein Sprint auch nicht dabei helfen, innerhalb von einem Jahr nach Gründung Weltmarktführer beim Bau von Teleportern zu werden.
Die Antwort liegt irgendwo dazwischen. Ein paar gute Signale für Unternehmen einen Design Sprint durchzuführen, können zum Beispiel die folgenden drei sein:
Ein bestehendes Produkt oder Service läuft immer schlechter und es muss eine neue Richtung eingeschlagen werden, man weiß aber nicht genau wohin die Reise gehen soll. Man will ein komplett neues Produkt oder einen neuen Service from scratch starten. Das Team arbeitet bereits ewig an einem Thema, alle sind frustriert und man kommt zu keinem richtigen Ergebnis
Wie genau läuft sowas ab? Was muss man denn da beachten?
Vitalij: Im Prinzip läuft das genauso, wie sich das angestaubte Product Owner in ihren agilsten Träumen vorstellen. Ein Team von 7-8 Personen versammelt sich vier Tage lang in einem Raum, der mit mehreren großen Whiteboards, Post Its, Sharpies und einem Time Timer versehen ist. Ausreichend gesunde Snacks dürfen natürlich auch nicht fehlen. Am ersten Sprint-Tag erarbeitet man die Fragestellung und eine Vielzahl an Lösungsideen. Am zweiten wird eine passende Lösung priorisiert und ein Storyboard dafür ausgearbeitet. Am dritten Tag bastelt ein Designer den Prototypen. Dieser muss gar nicht voll ausgereift sein. Eine gute Illusion, die einfach nur realistisch wirkt, reicht da meistens schon. Am vierten Tag wird dieser Prototyp dann mit 5-6 Nutzern aus der Zielgruppe des Produkts getestet.
Was macht Dir daran so großen Spaß?
Vitalij: Für mich war schon immer das aller Spannendste an meiner Arbeit oder auch in meiner Freizeit zu sehen, wie neue Dinge entstehen. Und beim Design Sprint entstehen neue Dinge quasi per Definition und man sieht sofort, was man innerhalb der vier Tage geschaffen hat. Das kann manchmal auch heißen, dass die Idee am 4. Tag komplett zerrissen wird. Aber: Man sieht sofort was man geschafft hat und was verbessert werden muss. Das macht letztlich für mich den Reiz an der Sache aus.
Und noch zum Abschluss eine kurze Frage: Was denkst Du, wie geht es für dieses Thema weiter? Was bringt 2020?
Vitalij: 2020 kann eigentlich nur großartig werden, was das Thema Design Sprints angeht. Man hat dieses Jahr bereits gemerkt, dass das Interesse an dem Thema mehr und mehr zunimmt. Und das kommt aus verschiedensten Richtungen. Product Owner, Marktforscher, Geschäftsführer, Marketer. Jeder muss irgendwie Projekte voranbringen und hat schon frustrierende Erfahrungen hinter sich, wenn sowas mal nicht klappt. Deshalb pack ich also schon mal meine bequemen Sneaker aus und mache mit bereit zu Sprinten ?
Danke Vitalij für das aufschlussreiche Gespräch.
Sie sind an Design Sprints interessiert oder wünschen einen persönlichen Termin? Gerne.
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