NOVA Blog: 12. November 2018
Hands On: Mercedes A-Klasse MBUX
Kategorie: Cases, Usability, UX Grundlagen
Gemeinsam mit der neuen A-Klasse hat Mercedes-Benz das neue Interaktionssystem MBUX herausgebracht. Im Rahmen der Mercedes Roadshow haben wir das System einmal selbst testen können.
Setzt man sich in die neue A-Klasse, fällt sofort der breite Bordcomputer auf, der sich vom Armaturenbrett bis zur Mittelkonsole zieht. Nach dem Anlassen wird deutlich: Es handelt sich nicht nur um einen Bildschirm, der das Armaturenbrett ersetzt und digitale Instrumente anzeigt, sondern gleich um zwei Widescreen-Displays, die in dieselbe Einfassung eingesetzt sind. Auf dem zweiten Bildschirm findet man dann Navigation, Freisprechanlage und sämtlichen Multimedia-Content.
Multi-Touch und Multi-Möglichkeiten
Die Vorführerin betont vom Beifahrersitz aus, dass das Bedienerlebnis in der neuen A-Klasse „höchst individuell“ ist, sodass man das Auto „wirklich zu seinem Auto machen“ kann. Tatsächlich gibt es gleich vier verschiedene Möglichkeiten mit dem System zu interagieren. Zunächst wird das Touchpad in der Mittelkonsole vorgestellt. Mit Fingerstreichen und Multitouch-Gesten lässt sich durch das Menü navigieren und beispielsweise durch das Auseinanderbewegen von zwei Fingern, wie gewohnt, die Map zur Navigation vergrößern und verkleinern. Durch Force-Feedback gibt es bei jedem Fingerstreichen haptisches Feedback. Das fühlt sich gut an und vermittelt Hochwertigkeit! Zwei kleine Kritikpunkte mindern für mich dann aber doch etwas den Spaß am Touchpad. Beim ersten Ausprobieren habe ich zunächst versucht, durch die Menüpunkte mittels „Wegwischen“ zu navigieren. Tatsächlich bewegt man sich aber durch das Menü, indem man in die gleiche Richtung wischt, in der sich auch der gewünschte Menüpunkt befindet. Das bin ich vom Smartphone und als Mac-Nutzer vom Trackpad anders gewohnt und verwirrt mich zunächst. Das Zoomen mit zwei Fingern ist zudem etwas stockend. Die Größe des Touchpads verleitet zur Überdehnung der Finger. Alternativ kann man aber auch das Display mit Touch bedienen und hat hier das übliche Wischen vom Smartphone – dafür dann aber auch Fingerabdrücke am Bildschirm.
Eine weitere Möglichkeit zur Bedienung gibt es durch zwei „Touch-Control-Buttons“ rechts und links am Lenkrad. Links bedient man das Display im Armaturenbrett, rechts das über der Mittelkonsole. Das funktioniert ziemlich gut und ermöglicht auch während der Fahrt kurz Einstellungen vorzunehmen, ohne eine Hand vom Lenkrad zu nehmen. Die Flächen für Tacho, Drehzahlmesser und den Platz zwischen beiden Elementen, können dabei frei individualisiert werden, indem beispielsweise die Navigation statt dem Drehzahlmesser angezeigt wird. Einzig die Mitte zwischen Tacho und Drehzahlmesser anzuwählen, ist zu Beginn etwas fummelig, da die Buttons sehr sensibel reagieren und die Hervorhebung des selektierten Elements sehr schlicht gehalten ist. Dies würde ich mir etwas deutlicher wünschen.
Eine weitere Möglichkeit der Bedienung wird während der Fahrt mit der Frage „Was ist die intuitivste Möglichkeit das Auto zu bedienen?“ vorgestellt – Es handelt sich um die Sprachsteuerung.
„Hey Mercedes“ – Der neue Sprachassistent
Mit den Worten „Hey Mercedes“ wird der Sprachassistent aktiviert. Das funktioniert einwandfrei. Das Auto reagiert sowohl auf Fahrer als auch Beifahrer. Ob das System so eingestellt werden kann, dass es nur auf die Stimme des Fahrers reagiert, bleibt bei der Präsentation unklar, wäre aber sicherlich ein hilfreiches Feature, um Späße durch Beifahrer zu vermeiden.
Das Besondere und Intuitive an der Sprachsteuerung ist, dass es sehr frei natürliche Sprache versteht und sich nicht auf vorgegebene Kommandos beschränkt. Möchte man das Licht im Innenraum verändern, kann man dies mit ganz unterschiedlichen Befehlen tun: „Ich hätte die Innenbeleuchtung gerne rot“ ist genauso möglich wie ein kurzes „Licht auf blau“. Kleine Späße hat Mercedes ebenso eingebaut. Fragt man das Auto danach, was es von BMW hält, antwortet es: „Wahrscheinlich das Gleiche wie Sie, sonst säßen Sie jetzt nicht hier.“
Spielereien mit Frontkamera und AR-Navigation
Weitere Spielereien hält die A-Klasse über eine Frontkamera bereit. Einerseits wird jede Kreuzung auf dem Bordcomputer in Form einer Live-Aufnahme gespiegelt, andererseits ermöglicht die Kamera auch die Implementierung von Augmented Reality Features in die Navigation.
Die Spiegelung der Kreuzung dient erst einmal einer besseren Sicht der Ampel. Hat man eine schlechte Position erwischt, in der man die Ampel nur mithilfe von Verrenkungen sieht, hilft die Live-Ansicht. Noch nützlicher wäre dieses Feature aber dann, wenn die Ampel auf dem Monitor zusätzlich vergrößert werden würde, da das Live-Bild dann doch relativ unübersichtlich erscheint, wenn viel auf den Straßen los ist.
Das ist auch das Problem mit den Augmented Reality Features. Muss die Spur gewechselt oder abgebogen werden, wird eine Live-Ansicht der Straße angezeigt, in die digitale Pfeile projiziert werden. Bei viel Verkehr kommt es hier leider leicht zur Reizüberflutung. Gerade bei unübersichtlichen Autobahnabfahrten können wir uns aber einen Nutzen vorstellen. Hier geht es schließlich nur geradeaus und vorausfahrende Autos verdecken nicht die angezeigten Querstraßen.
Als weiteres Gimmick setzt die A-Klasse what3words zur Zielfindung ein. Mittels drei willkürlicher Wörter, die über eine App identifiziert werden, kann jeder Punkt auf der Erde im Planquadrat von 3×3 Metern identifiziert werden. Das Mercedes-eigene System ist zunächst erst einmal unbequemer als einfach Straße und Hausnummer einzugeben. Gemacht ist es eher um Leben zu retten. Unfallstellen auf der Autobahn können sehr schnell und präzise identifiziert werden. Als Nebennutzen können auch Parkplätze oder Straßen in Neubaugebieten, die das Navigationssystem noch nicht kennt, zielgenau angesteuert werden. Letzteres sollte durch Live-Updates der Kartendaten aber eher selten vorkommen.
Fazit: Viele Wege führen nach Rom
Alles in allem geht Mercedes-Benz mit dem MBUX-System den Weg über Redundanzen, um eine hohe Erfolgsrate in der Bedienung zu erzielen. Das ist im Rahmen eines Automobils auch in Ordnung. Nicht nur, dass ein individuelles Bedienen möglich ist, wenn zum Beispiel die Touch-Bedienung direkt auf dem Bildschirm nicht gefällt, auch der Beifahrer kann Einstellungen über das Touchpad in der Mittelkonsole oder direkt am Monitor vornehmen und so den Fahrer entlasten. Die Bedienung übers Lenkrad und über die Sprachsteuerung sind dann stärker geeignet für die Fahrt ohne Beifahrer und stellen eine gute Alternative zu Touchbedienung oder Drehrad dar, um Ablenkungen des Fahrers durch einen Blickwechsel zu vermeiden. Gerade diese beiden Möglichkeiten sind aus meiner Sicht äußerst gut gelungen und könnten mit kleinen Verbesserungen (z.B. stärkere Hervorhebung des selektierten Bereichs im Armaturenbrett) noch stärker überzeugen.
Auch wenn es hier und da noch Verbesserungsbedarf gibt: Die Interaktion mit dem Auto hat noch nie so viel Spaß gemacht. Ich bin gespannt was sich die Autohersteller als Nächstes einfallen lassen!
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