Hintergrund und Zielsetzung
Zur Weltklimakonferenz 2017 entwickelte SWB-Bus und Bahn eine erste webbasierte und mobile Orientierungsplattform für die Besucher:innen und Gäste der COP23 in Bonn. Aus dieser Vorstufe wurde eine der ersten Mobilitätsplattformen für Mobilitätsleistungen mit integrierten Zahlsystem erarbeitet und 2022 live geschaltet. Im Winter 2023 wurde die Applikation in den Klimaplan 2035 der Bundesstadt Bonn aufgenommen, um den öffentlichen Nahverkehr, Mikromobilität und andere mobilitätsnahen Dienstleistungen digital miteinander zu verknüpfen. Außerdem sollte den Bürger:innen, Gästen und Besucher:innen Bonns eine zentrale Plattform für alle Mobilitätsangebote zu geboten werden, um die Zugangshemmnisse abzubauen. Damit soll eine echte Alternative zum Individualverkehr planbar und buchbar gemacht werden. Im Rahmen des Klimaplans wird nun geprüft, ob BONNmobill „die eine App für Alle“ werden kann.
Ziel der Evaluierung war es herauszufinden, wie die BONNmobil App im Vergleich zu anderen Mobilitäts-Apps wahrgenommen wird, und welche Nutzungshindernisse existieren. Die Studie zielte darauf ab, die Bedürfnisse und Erwartungen der Nutzenden zu verstehen und deren Feedback aktiv in den Entwicklungsprozess einzubringen.
Die Hauptfragen lauteten:
- Wie wird die App BONNmobil wahrgenommen im Vergleich zu bestehenden Mobilitäts-Apps?
- Wie bewerten Nutzende das multimodale Verhalten?
- Welche Pain Points hindern eine regelmäßige Nutzung?
- Welche Bedürfnisse haben die Nutzenden in Bezug auf Mobilität?
- Welche Zielgruppe ist für eine App wie BONNmobil relevant?
- Welche Szenarien werden wie genutzt und bewertet?
BONNmobil: Die App für die neue Mobilität in Bonn
Die Mobilitäts-App von den Stadtwerken Bonn verfolgt das Ziel, alle Themen der Mobilität in einer einzigen Anwendung zu vereinen. Mit BONNmobil können Nutzende dank eines mulitmodalen Mobilitätsangebots alle Fortbewegungsmöglichkeiten in Bonn individuell zusammenstellen, buchen und online bezahlen. Die App verbindet verschiedene Transportmittel wie Bus und Bahn, Carsharing-Optionen sowie Sharing-Modelle für nextbike-Leihräder, TIER-Scooter und Clara-E-Roller. Dank der Single-Sign-On-Technologie reicht eine einzige Anmeldung, um alle Dienste zu nutzen und nahtlos zu kombinieren.
Methode und Vorgehen
Zur Evaluierung der BONNmobil App wurden 60-minütige Usability Interviews mit 14 Teilnehmenden durchgeführt. Diese fanden in den Räumlichkeiten der SWB statt, um einen Test innerhalb einer Testumgebung zu ermöglichen. Die Teilnehmenden waren eine Mischung aus Nutzenden und Nicht-Nutzenden der BONNmobil App. Die Methode umfasste:
- Usability Interviews: Die Teilnehmenden hatten die Möglichkeit, die App zu erkunden und zu testen. Für diese Studie bietet sich diese Methode an, da BONNmobil bereits iteriert wurde und Nutzendenfeedback in die überarbeitete, zu testende Version eingeflossen ist.
- Benchmarking: 9 Teilnehmende verglichen BONNmobil mit den Apps der Verkehrsunternehmen in München (MVV-App) und Berlin (Jelbi-App). Wie bei anderen Lösungen muss das Rad nicht immer neu erfunden werden. Was kann aus bestehenden Lösungen gelernt werden, was macht BONNmobil schon gut und was ist womöglich der USP auf dem Markt der Mobilitäts-Apps?
- Mobile Use Cases: 5 Teilnehmenden durchliefen mobile Nutzungsszenarien. Mobil bedeutet, dass wir als Interviewende die Teilnehmenden bei der freien Ausführung der Aufgabe einen Roller zu finden und auszuleihen begleitet haben. Schauen Sie sich hierzu gerne unseren Blogbeitrag zur Bedeutsamkeit der Testumgebung an. Wir konnten spannende Erkenntnisse durch diesen kleinen Twist sammeln.
Use Cases
Innerhalb des Hauptteils der Usability-Tests wurde mehrere Hauptnutzungsszenarien behandelt:
Routensuche: Teilnehmende wurden geben eine beispielhafte Routensuche einzugeben.
Ticketkauf: Auf Basis der gesuchten Route sollte ein passende ÖPNV-Ticket gekauft werden.
Rollernutzung: Alternativ sollte für die gleiche Route nicht Bus und Bahn, sondern ein Elektro-Roller verwendet werden. Das Finden, Ausleihen und Zurückgeben von Rollern wurden hierbei evaluiert.
Favoritenverwaltung: Die App ermöglich Nutzenden Orte bzw. Haltestellen als Favoriten zu markieren. Das Hinzufügen und Aufrufen von Favoriten wurden im Rahmen des Tests durchgeführt.
Die Relevanz von Benchmarking
Benchmarking mit den Apps der Verkehrsunternehmen in München und Berlin ergab, dass BONNmobil das Potenzial hat, DIE One-App-Lösung für Mobilität in Bonn und Umgebung zu sein. Nutzenden zeigten verschiedene Aspekte auf, die von der einen oder anderen App besser gelöst wurden. Mithilfe des Benchmarkings konnte die Positionierung von BONNmobil aufgenommen werde, denn Nutzende bevorzugten BONNmobil wegen der Integration verschiedener Anbieter in einer App, auch wenn die einzelnen Anbieter-Apps noch parallel existieren.
Eine eindeutige Stärke von BONNmobil, weshalb die App im direkten Vergleich bei Nutzenden punkten konnte, ist die Möglichkeit, alle Mobilitätsoptionen innerhalb der App zu vergleichen, ohne zu einer anderen App oder im schlimmeren Fall zum App oder Google Play Store weitergeleitet zu werden. Dies ist besonders im Fall von Sharing-Möglichkeiten der Fall, wie z.B. Tier oder Volt. Statt den Roller direkt buchen zu können, werden Nutzende bei der MVV und Jelbi-App zu den entsprechenden Applösungen weitergeleitet, wo der Prozess vervollständigt werden muss. Bei BONNmobil ist dies durch Tiefenintegration ohne Wechsel in andere Apps möglich.
Diese Studie zeigt wieder, dass wir auf dem App Markt ein Level erreicht haben, wo viele Apps zu finden sind, die den gleichen Need treffen, aber entweder redundant oder nicht zu Ende gedacht sind. Und hier kommt wieder meine Lieblingsfrage ins Spiel, wenn es um die Entwicklung einer neuen Lösung geht: „Muss es wirklich eine App sein?“
Erkenntnisse der Studie
Wir konnten mithilfe der Studie viele Hypothesen bestätigen, unter anderem die folgenden:
- Für Bonner:innen wird mit den BONNmobil App ein total relevanter Anwendungsfall abgedeckt, vor dem sie regelmäßig stehen und nicht einfach zu lösen ist.
- Aktuell bestehen die „Apps“ der Anbieter (z.B. Ticketkauf, Scooterausleihe, Fahradausleihe) noch parallel zueinander in der BONNmobil App, anstatt miteinander verknüpft zu sein.
- Das Handling und Übersicht sind teilweise schwierig. Auch bei längerer Nutzung ist die Lernkurve relativ flach, da es an ausreichend Feedback vom System fehlt.
- Des Weiteren wirken die Vergleichsapps visuell ansprechender als BONNmobil.
- Nutzende erhalten auf einen Blick schnell relevante Informationen wie z.B. eine gefilterte Kartenansicht oder Abfahrtszeiten im Fokus der Routensuche.
- Der stationäre Teil zeigte nur geringes Optimierungspotential hinsichtlich der Usability, in Bewegung und bei mobiler Nutzung hatten die Teilnehmenden hingegen größere Schwierigkeiten, die digitale Ansicht mit der physischen Umgebung zu verknüpfen.
Auf Basis der Erkenntnisse haben wir Handlungsempfehlungen erarbeitet.
Die drei übergeordneten Handlungsempfehlungen sind:
- User Journey miteinander verbinden (1. Wahl des Verkehrsmittels, 2. Tiefergehende Informationen oder Aktionen)
- Mehr und zeitlich angemessene Systemrückmeldungen bieten
- UI modernisieren, um die Erfahrung zu stützen
Die erste Empfehlung wurde mithilfe eines Mockups detaillierter visualisiert:
Zwei wichtige Erkenntnisse möchten wir gerne noch hervorheben, die Sie gegebenenfalls auch in Bezug auf Ihr Produkt hinterfragen können:
- Die Bedürfnisse der Nutzenden sind stark altersabhängig. Dies bezieht sich nicht auf die Technik-Affinität der Nutzenden. Jüngere und ältere Nutzende haben unterschiedliche Anforderungen, Informationsbedarfe und Use Cases, die für Sie relevant sind.
- Es gibt einen Use Case, der im Fokus der App steht, von dem alle weiteren Schritte abhängen und das ist die Routensuche. Auf Basis dieses Use Cases wird erwartet, dass alle weiteren Aufgaben ausgelöst wenden können wie z.B. Ticketkauf, Rollerausleihe und/oder das Hinzufügen von Favoriten. Aus diesem Grund wurde im Rahmen der Analyse eine Designiteration dieses Use Case vorgeschlagen:
Zusammenfassung
Die BONNmobil App hat genügend Potenzial, eine zentrale Lösung für die Mobilität in Bonn und Umgebung zu werden. Die Studie hat verschiedene Bereiche identifiziert, in denen Verbesserungen notwendig sind. Mithilfe der Studie konnten die nächsten Weiterentwicklungsschritte priorisiert und die Optimierung vorangetrieben werden, um den Bedürfnissen der Anwender besser gerecht zu werden.
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